Italienisch-12er befragen Mafia-Experten
Die Mafia - auch in Ihrer Nähe?
Was glauben Sie, sind Sie der Mafia in Ihrem Umfeld schon einmal begegnet?
So leitete Sandro Mattioli unser Gespräch am Donnerstagnachmittag ein. Am 18. März durften wir, 23 Schülerinnen und Schüler aus dem Basis- und Leistungskurs Italienisch des Isolde-Kurz-Gymnasiums, den deutsch-italienischen Journalisten und Vorsitzenden von „Mafia? Nein Danke! e.V.“ rund um das Thema Mafia befragen. Das Gespräch fand per Videokonferenz statt und… auf Italienisch, naturalmente.
Die anfangs gestellte Frage haben zunächst alle verneint. Dass die Mafia ganz in der Nähe der Orte aktiv ist, an welchen man seinem normalen Alltag nachgeht, konnte sich zunächst niemand von uns vorstellen.
Doch Mattioli belehrte uns eines Besseren. Er beschäftigt sich in seiner Tätigkeit als Journalist hauptsächlich mit der kalabrischen Mafia, der sogenannten ´Ndrangheta, die durchaus auch in Deutschland sehr aktiv ist, vor allem in Baden-Württemberg. Neben den fast schon stereotypischen Tätigkeiten wie illegaler Drogen- und Waffenhandel, Erpressung und Warenfälschung, kauft die Mafia Unternehmen, die in finanzielle Engpässe geraten sind, auf oder leiht ihnen Geld, was besonders während der Corona-Krise ein profitables Geschäft darstellt. Davon bekommen allerdings die wenigsten etwas mit – die Mafia ist in Deutschland für den normalen Bürger „unsichtbar“ und wird erst recht nicht als reale Gefahr bewertet. Ganz im Gegenteil: Zum einen wird die Mafia in den Medien oft verherrlicht, Mafiosi werden als ehrenhafte Männer in eleganten Anzügen dargestellt, die das „Dolce Vita“ leben. Dadurch wird die sie nicht als tatsächliche Bedrohung wahrgenommen.
Hinzu kommt, dass die Mafia sich bewusst aus dem öffentlichen Leben heraushält. Sie sucht keine direkte Konfrontation, stattdessen infiltriert sie Politik und Wirtschaft, arbeitet im Hintergrund, verdeckt und unscheinbar. Vor allem die „`Ndrangheta“ versucht laut Mattioli zu vermeiden, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mit offen ausgeübter Gewalt auf sich zu ziehen. Deshalb beantwortete er die Frage, ob er Angst vor der Mafia habe, mit einem „Nein“. Ihm sei zwar bereits gedroht worden, doch die Überzeugung von der Wichtigkeit seiner Arbeit bringt ihn dazu weiterzumachen.
Wie sollte man also vorgehen, um das Phänomen Mafia wirksam zu bekämpfen?
Mattioli versucht mit seinem Verein “Mafia? Nein Danke!” die Einführung einer “Anti-Mafia-Policy” durchzusetzen, ein effektives Gesetzespaket gegen die organisierte Kriminalität. Bisher ist das deutsche Recht nicht an diese angepasst; wirksame Mechanismen, die gezielt gegen solche Strukturen ankämpfen könnten, fehlen. Ein weiteres Anliegen ist es, Aufmerksamkeit zu generieren und die Bevölkerung zu sensibilisieren. Man muss über das Phänomen Mafia öffentlich sprechen, quasi als Gegenmittel gegen die Omertà, wie die Mafiosi die von ihnen praktizierte Schweigepflicht nennen. Denn schlussendlich ist das wirksamste Mittel im Kampf gegen organisiertes Verbrechen die Öffentlichkeit, die durch aktives Thematisieren der Problematik Handlungsdruck auf die Politik ausüben muss und Unternehmen vor den Arbeitsweisen der Mafia warnen kann.
Von Mayra Menconi und Philipp Ziegler